Beginnen wir mit einer kurzen Erklärung:
In der virtuellen Realität wird eine scheinbare Wirklichkeit digital simuliert. Mittels einer VR-Brille könnte man sich digital durch ein Haus bewegen, welches physisch noch gar nicht gebaut wurde. Anwendungen dieser Art gehören mittlerweile durch die Spiele-Konsolen fast schon zum Hausgebrauch und sind gerade bei vielen jungen Leuten nicht weiter erklärungsbedürftig.
In der erweiterten Realität findet sich ein Zusammenspiel aus digitaler und analoger Realität. Spätestens seit dem Start der Pokémon Go App im Jahre 2016 ist sie den allermeisten von uns ein Begriff. Auch diese Technologie ist kinderleicht nutzbar und bei den meisten von uns bereits in der Hosentasche. So können mit Hilfe der Smartphone-Kamera und einer Augmented-Reality-App, zusätzliche virtuelle Objekte im Kamerabild angezeigt werden, die passgenau zu realen Objekten angeordnet sind. Damit sind aber nicht nur interaktive Spiele möglich – auch interaktive Stadtführungen wären hierfür eine nützliche Anwendung. Würde man die Smartphone-Kamera beispielsweise in Richtung Kölner Dom halten, ließen sich allerlei zusätzliche Informationen wie ein Höhenvergleich mit dem Eiffelturm, der in korrekter Größe und Perspektive daneben in das Bild integriert wird, anzeigen. Die Technologien bieten gerade in der Lehre und Forschung ein ungeheures Potential - und ganz besonders in der Medizintechnik.
Wir machen uns auf ins Visualisierungslabor des Fachbereichs „Design Informatik Medien“ an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und besuchen Linda Rau. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin ist Teil des LOEWE-geförderten Projekts „Virtual Reality/Augmented Reality als Medium für medizinische Weiterbildung“, kurz: VR-AR-Med2 .
Gemeinsam mit der Firma health&media GmbH entwickelte Linda Rau in einem Team unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Dörner neue Möglichkeiten im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität, die speziell für die medizinische Weiterbildungen nützlich sind.
Medizinerinnen und Mediziner sind nämlich verpflichtet, jährliche Fortbildungen zu absolvieren und diese sind bisher bei digitalen Angeboten zumeist auf Texten und Fragebögen aufgebaut. Dabei ist es mitunter schwierig, sich die Sachverhalte der Weiterbildung auch wirklich plastisch vorzustellen und sie zu verstehen. Das soll sich mit und durch das Projekt VR-AR-Med2 ändern. Medizinische Abbildungen in den Weiterbildungsunterlagen werden hier von einer App eingelesen und in einem virtuellen Modell dargestellt, das von allen Seiten und auf allen Ebenen zugänglich ist. So lässt sich beispielsweise ein Innenohr komplett “durchfliegen” und detailliert betrachten.
Und auch physische 3D Modelle, die die Medizinerinnen und Mediziner bei ihrer Weiterbildung noch ganz herkömmlich in der Hand halten, lassen sich durch AR-Technologie erweitern. Mit Hilfe eines Smartphones und der vom VR-AR-Med2-Team entwickelten App werden dem physischen Modell nun je nach Betrachtungspunkt, zusätzliche Informationen angezeigt, die das Verständnis um den Sachverhalt verbessern. Diese Zusatzinformationen können eine wesentliche Hilfestellung bei komplexen Aufgaben sein.
„Wir entwickeln hier in diesem Bereich die Basistechnologie und illustrieren diese an einem Anwendungsbeispiel“, erklärt Prof. Dörner. „Aber wenn man etwas länger darüber nachdenkt, fallen uns unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten ein. Wir befinden uns momentan an einer Schwelle, an denen erweiterte und virtuelle Realitäten mehr und mehr in unseren Alltag einfließen.” Für eine Anwendung im medizinischen Fort- und Weiterbildungssektor wurde der Anfang hier an der Hochschule RheinMain gemacht.