Kunsthochschule Kassel - Kunstwissenschaft "Projekt Aufgedeckt"
An der Universität Kassel sind Kunsthistorikerinnen an der Kunsthochschule einem erstaunlichen Phänomen auf der Spur: dem Verschwinden von Malerinnen aus dem öffentlichen Diskurs um 1820. Im Gespräch mit den Studierenden um Professorin Frau Dr. Martina Sitt ist die Erklärung dann auch schnell zur Hand: „Eine Sache, die wir hier im Studium gelernt haben ist, dass Geschichte nichts objektiv Feststehendes ist, sondern geschrieben und dadurch mitunter verfälscht wird. Natürlich gab es Malerinnen in dieser Zeit, ihr Fehlen in der öffentlichen Wahrnehmung bedeutet nicht, dass sie nicht gemalt haben.“ Das Team begann im Umfeld der Malerfamilie Tischbein zu recherchieren, die aus Hauna stammend u.a. in Kassel tätig war. Bekannt wurde vor allem der Hofmaler Tischbein d.Ä und der „Goethe-Maler“ Johann Heinrich Wilhelm Tischbein durch das berühmte Porträt des Dichters in der Campagna. Die Projektgruppe erforschte Stammbäume, recherchierte in Archiven von Kassel bis Leipzig, Mannheim bis Hamburg, um Hinweise darauf zu bekommen, wie der Lebensweg der Malerinnen der Tischbeins verlaufen ist.…
Sophie-Luise Mävers, 25 Jahre, Promotionsstudentin der Kunstgeschichte an der Universität Kassel, berichtet: „Wir haben alte Briefe durchgewälzt. Manchmal mussten wir sogar für die Handschrift eines Briefes ein eigenes Alphabet erstellen, um den Inhalt überhaupt lesen zu können. Und dann hat man Glück und gewinnt in einem solchen Brief Informationen darüber, dass ein bestimmtes Bild von der Verfasserin für jemanden gemalt und verschickt wurde. Manchmal erhält man dann genug Anhaltspunkte, um das Bild mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Frau zuzuweisen, auch wenn es in der Öffentlichkeit vielleicht anders benannt wurde.“
Und Professorin Dr. Martina Sitt fügt hinzu: „Manchmal findet man auch in einer Zeitung – etwa von 1781 - einen Hinweis darauf, dass beispielsweise der Hofmaler Tischbein eine Tochter hatte, die malen konnte. Dann haben wir Indizien gefunden, dass die Tochter sogar gut malen konnte, nur, wo sind ihre Werke geblieben? So begann unsere Recherche…“
„Mitunter sind es auch einfache Rechenübungen“, erzählt sie, „wenn Personen zu einer Zeit abgebildet werden, wo der berühmte Maler eigentlich schon blind war und es vermutlich eher die malende Tochter an seiner Stelle gefertigt hat. Es ist mitunter ein bisschen Polizeiarbeit. Man erstellt ein Profil und recherchiert in dem Netzwerk von Beziehungen, in dem die Malerin sich bewegt hat. Da begegnen einem die großen Denker des Deutschen Idealismus, mit denen sie verkehrten…“. Ein wirklich spannendes Projekt, das sich die Studierenden hier ausgesucht haben und das mit der Eröffnung der Ausstellung noch lange nicht vorbei ist.