„Die ersten Staubauwerke sind vor Tausenden von Jahren entstanden“, wirft die Wasserbau-Wissenschaftlerin Prof. Dr. Nicole Saenger einen Blick zurück in die Menschheitsgeschichte. Als erstes Wasserbauwerk der Welt gilt ein 8000 Jahre altes Bewässerungssystem im heutigen Iran, das aus Reisig und Erde bestand.
8000 Jahre Wasserbau – es scheint, als wären alle Geheimnisse schon erforscht. Gibt es da überhaupt noch etwas zu entdecken? „Wasser wird natürlich schon lange gestaut“, erklärt uns Prof. Saenger. „Aber wir bauen heute ja mit ganz anderen Methoden als früher. Und wir forschen auch mit ganz anderen Methoden.“ Denn der Wasserbau, der ja wörtlich an der Quelle des Lebens sitzt, muss auch mit den immer neuen Herausforderungen umgehen, die sich den Menschen stellen. Mit solchen Herausforderungen beschäftigt sich auch Martin Weber, Laboringenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Wasserbauhalle der Hochschule Darmstadt – einer ungefähr 1000 m² großen Versuchshalle für Themen rund um den Wasserbau. Der gelernte Vermesser hat nach seiner Ausbildung ein Bachelorstudium des Bauingenieurwesens in Frankfurt absolviert und ist dann für sein Masterstudium hier an die Hochschule nach Darmstadt gekommen. Für seine Forschungsarbeit untersucht er Totholzstrukturen als ökologische Faktoren in Flüssen. Totholz ist dort notwendig, wo sich früher begradigte Flussläufe nicht mehr in ihre ursprüngliche mäandernde Form zurückbringen lassen, beispielsweise weil die Ufer bebaut sind. Das Totholz hilft hier bei der Renaturierung der Gewässer, es verändert die Fließgeschwindigkeit und auch die Zusammensetzung der Sedimente der Flusssohle.
„Viele Jahrzehnte hat man die Flüsse von Totholz befreit, um sie vermeintlich sauber zu halten, ohne das Wissen, wie wichtig Totholz eigentlich für die Gesundheit eines Gewässers ist“, erklärt Martin Weber. Denn Totholzstrukturen spielen eine wichtige Rolle als ökologische Faktoren in Flüssen. Sie sind nicht nur Lebensraum für Wasserorganismen und tragen zu einer gesunden Biodiversität bei, sondern durch den natürlichen Abbau von Totholz durch Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen spielen sie auch eine Rolle im Nährstoffkreislauf. Außerdem kann Totholz die Struktur von Fließgewässern beeinflussen. Es bildet natürliche Barrieren und Strömungshindernisse, die die Fließgeschwindigkeit variieren und unterschiedliche Tiefen schaffen. Diese Strukturen sind wichtig für die Habitatvielfalt und beeinflussen auch Sedimenttransport und Ufererosion. Eine ganze Reihe an Fragen also, die sich Martin Weber hier stellt und die er in seiner Forschungsarbeit unter die Lupe nimmt.
Die Renaturierung ist aber nur ein Teil des Studiums des Bau- und Umweltingenieurwesens hier in Darmstadt. Das Wasserbaulabor wird auch dafür verwendet, wasserbauliche Versuche durchzuführen: Wie wirken sich zum Beispiel Wasserräder und Turbinen auf die Ökologie der Gewässer aus? Wie auf die Fischwanderungen? Weil es im Wasserbau oft nicht möglich ist, das physikalische Verhalten der geplanten Bauten mathematisch zu beschreiben, sind solche praktischen Versuche unumgänglich. „Unsere Studierenden gehen ab dem zweiten Semester in unsere Wasserbauhalle. Sie können hier Versuche durchführen, aber uns auch einfach über die Schulter schauen“, ist Prof. Saenger begeistert von der Neugier der jungen Menschen. „Sie kommen oft einfach zu uns und fragen, was wir hier machen.“ Die Wasserbauhalle hat eben auch einen großen Schauwert, der die Studierenden dann auch noch für ihre Bachelor- oder Masterarbeiten anlockt. „Da können sie dann ihre eigenen Versuche planen und selbst etwas entwickeln“, freut sich Prof. Nicole Saenger.