Diese zu entdecken und zu verstehen kann uns helfen, nachhaltig und verständnisvoll mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen. Genau hier beginnt das Kapitel einer besonders interessanten Ingenieurwissenschaft: dem Wasserbau. Denn der Wasserbau beschäftigt sich nicht nur mit der Planung, dem Bau und der Instandhaltung von Bauwerken und Anlagen im Zusammenhang mit Wasser, sondern widmet sich ebenso intensiv dem Gewässerschutz. Eine Wissenschaft also, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie sich Wasser effizient nutzen, kontrollieren und schützen lässt. Hochwasserschutz, Deiche, Stauanlagen, Hafenanlagen, Schleusen, Kanäle sowie Ufer- und Küstenschutz und Fließgewässerrenaturierung sind nur einige der Themen, mit denen man sich im Studium des Wasserbaus beschäftigt. Studieren lässt sich Wasserbau beispielsweise an der Hochschule in Darmstadt, die zudem eine ca. 1000 m² große Versuchsanlage für wasserbauliche Themen auf ihrem Campus besitzt.
Wir treffen Prof. Dr. Nicole Saenger, die an der Hochschule Darmstadt die Professur für Wasserbau innehat. „Diese ‚Spielwiese‘, die wir hier haben“, sagt sie und zeigt auf die Anlage, „ist einfach etwas Wunderschönes!“ Die ‚Spielwiese‘ ist das Wasserbaulabor der Hochschule Darmstadt, an dem die angehenden Bau- und Umweltingenieure ab dem zweiten Semester zahlreiche Versuche durchführen können, damit von Anfang an ein Praxisbezug vorhanden ist. Die Themen sind dabei breit gefächert. Das beginnt bei Bauwerken, die an oder im Wasser stehen, wie zum Beispiel Staudämmen, Deichen oder Wasserkraftwerken, und reicht bis hin zu Ökosystemen in fließenden Gewässern: Wie verändern sich diese durch Wasserräder oder Turbinen? Wie greifen sie in die Fischwanderung ein? Wie müssen die Flusssohlen beschaffen sein, damit all die Organismen unserer Flüsse dort leben können? Wie können begradigte Fließgewässer renaturiert werden? Und schließlich sind wir durch den Klimawandel immer häufiger mit Starkregenereignissen konfrontiert, die zu Hochwasser wie dem im Ahrtal im Jahre 2021 führen können. Um solche Katastrophen zu verhindern und die Fließgewässer wieder zu natürlichen Lebensräumen zu machen und dabei trotzdem die Wasserkraft optimal auszuschöpfen, wird also hier in der Wasserbauhalle geforscht.
„Wir haben hier insgesamt sechs Rinnen, die wir fast nach Belieben umbauen können“, sagt Prof. Saenger, und Laboringenieur Martin Weber ergänzt: „Die längste Rinne ist 35 Meter lang, die anderen 20.“ Die Rinnen sind bis zu drei Meter breit und werden durch Pumpen mit Wasser versorgt. Dieses lagern im Keller und pumpen das Wasser bei Bedarf mit bis zu 800 Litern pro Sekunde hoch. Studierende können hier die verschiedensten Versuche durchführen. Sie können bewegliche Flusssohlen nachbauen und prüfen, wie verschiedene Bauwerke diese beeinflussen, durcheinanderwirbeln und damit die Lebensbedingungen für die Tier- und Pflanzenwelt verändern. Sohlgefälle können simuliert und Fließgeschwindigkeiten analysiert werden. Und da einige Flüsse nach ihrer Begradigung nicht mehr in ihre alte Mäanderform zurückgebracht werden können, weil ihre Ufer schon längst besiedelt sind, kann hier eine Renaturierung durch gezielten Totholzeinbau ausprobiert werden. Denn dadurch werden sowohl die Sohle als auch das Fließen selbst beeinflusst und korrigiert. Notwendig ist das Wasserbaulabor auch deshalb, weil sich viele Faktoren bei Fließgewässern nicht vollständig mathematisch beschreiben lassen. Es braucht einfach praktische Versuche. Und diese können die Studierenden der Hochschule Darmstadt hier vom zweiten Semester an durchführen.