Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
„Das Leben ist kein Ponyhof.“ Dieses Sprichwort passt vielleicht nirgends so perfekt wie zum Beruf des Tierarztes. Denn was Kinder und Jugendliche häufig mit verklärtem Blick als ihren Traumjob in den Poesiealben ihrer Schulfreunde angeben, hat mit der Realität wenig gemein. Und das merken viele erst im Studium. „Gerade am Anfang muss man sehr viel Theorie lernen, darunter Physik und Chemie“, berichtet Marcel Diehl. „Doch wenn man das durchhält, wird man belohnt.“
Routine über Plüschhunde
Um die Motivation in den besonders stark naturwissenschaftlich orientierten ersten Semestern hochzuhalten und gleichzeitig die Praxisquote zu erhöhen, hat der Fachbereich mit Unterstützung durch Bundesmittel an der JLU zum Sommersemester 2016 das Clinical Skills Lab eröffnet, in dem die Studierenden schon im zweiten Semester einen Wahlpflichtkurs belegen können. Das Besondere: Auf verschiedenen Stationen können sie eine Vielzahl handwerklich-praktischer Arbeiten üben – zum Beispiel mit Hilfe von detailgetreuen Tiermodellen aus Glasfaser, Plastik und Harz. Ein erfahrener studentischer Tutor führt die Kommilitonen in Kleingruppen durch die einzelnen Räume und erklärt ihnen die Tätigkeiten. Von den richtigen Nähtechniken bei Verletzten über das Blutabnehmen bis hin zu komplexen Untersuchungen von Koliken bei Pferden kann vieles realitätsnah trainiert werden. Dabei bleibt genug Zeit und Raum, die Fertigkeiten im individuellen Lerntempo und beliebig oft zu wiederholen. „Wir haben nachgewiesen, dass die Studierenden durch das Training im Skills Lab eine erhöhte Selbstsicherheit hinsichtlich der erlernten Fähigkeiten erlangen“, erklärt Tierärztin Alexandra Schmitt. So sind sie für die spätere Arbeit mit lebenden Tieren viel besser vorbereitet – was den Stress für beide Seiten gleichermaßen reduziert.
Marcel ist mittlerweile im fünften Fachsemester angekommen und lernt im Fach Propädeutik echte Patienten zu untersuchen und richtig zu befunden. Die Erfahrung im Skills Lab war für ihn dabei eine gute Grundlage: „Wenn die Handgriffe am Modell sitzen, fühlt man sich besser vorbereitet, wenn ein echtes Tier vor einem steht.“ Für Marcel hat sich sein persönlicher Traum erfüllt. Er hat schon in der 9. Klasse ein Praktikum beim Tierarzt absolviert und wusste, worauf er sich einlässt. „Ich habe dann direkt einen Studienplatz bekommen und schnell gemerkt, dass es wirklich das Richtige für mich ist.“ Als Mann gehört Marcel zu den Exoten in der Veterinärmedizin. Aktuell sind etwa 85 Prozent der 210 Studienanfänger in Gießen weiblich. Sie alle müssen entweder den notwendigen Numerus clausus vorweisen, werden über das Auswahlverfahren der Hochschule auf Basis spezieller Kriterien ausgewählt oder müssen Wartezeiten auf ein Studienplatz hinnehmen.