Wieso aber braucht es eine App, um mit Patienten zu reden? „Kontakte mit kranken Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse sind für uns Alltag an der Uniklinik. Meistens wuselt man sich mit Händen und Füßen durch die Kommunikation. Im besten Fall übersetzen wir mit Angehörigen“, erklärt Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo, „aber auch diese sind oft etwas überfordert. Es gibt hier durchaus emotionale Hindernisse, die die Struktur des Gesprächs verändern“, beschreibt der junge Arzt das Phänomen. Eine Anamnese – also die Erfragung der medizinisch relevanten Informationen der Vorgeschichte oder des Krankheitsverlaufs wird dadurch erschwert. „Translatly“ umgeht dieses Problem nun auf ausgesprochen clevere Weise. Die App greift auf einen Pool an registrierten medizinischen und sprachkompetenten Mitarbeitenden am Universitätsklinikum zurück. Während einer Anamnese kann Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo nun z. B. als Sprache „Türkisch“ auswählen. Dann würden die Smartphones aller türkischsprachigen Mitarbeitenden via Kurzmeldung über seinen Hilfewunsch informiert, und wer gerade Kapazitäten hat, verbindet sich und landet in einem virtuellen Wartezimmer. Von dort wird die übersetzende Person telefonisch oder per Video zugeschaltet. Dabei hat sich die Videotelefonie als Mittel der Wahl herausgestellt, erklärt Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo: „Wir übersetzen ja nicht nur eine Sprache.“ Es geht dabei auch um einen gemeinsamen kulturellen und religiösen Hintergrund, und auch das gleiche Geschlecht spielt eine Rolle, wenn es darum geht, z. B. eine gewisse Scham bei einer Patientin zu überwinden.
Die 22-jährige Sana hat sich für „Translatly“ als Übersetzerin registrieren lassen und sieht für sich gerade beim Thema kultureller Hintergrund oder Scham eine große Motivation zu helfen.
„Sobald ein Patient merkt, okay, da ist auch jemand mit einem Migrationshintergrund, dann ist automatisch schon dieses Vertrauensverhältnis da“, erzählt sie uns. Ihrer Kommilitonin Hana geht es ähnlich: „Eine kleine Rolle bei der Übersetzung zu spielen, damit die Leute hinterher beschwerdefrei sind, ist schon was Großartiges. Denn vertrauen uns die Patienten erst einmal, erzählen sie auch vorbehaltloser, was ihnen fehlt. Und das ist eigentlich die Grundlage für eine gute Medizin.“ Unterm Strich geht es für alle Beteiligten darum, anderen zu helfen: den Patienten und Patientinnen, damit diese sich sicher und verstanden fühlen, und dem Klinikpersonal, das auf diese Weise mit sehr viel weniger Verständigungsproblemen zu kämpfen hat. Und alles, was es dafür braucht, sind Menschen, Smartphones und eine kleine, geniale Idee.