„Ich habe gemerkt, dass Menschen mit Migrationshintergrund einfach schlechter versorgt sind“, erzählt Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo, Oberarzt in der Abteilung für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Diese Beobachtung wird durch viele Studien belegt. „Das ist sogar mehrfach publiziert und bewiesen, und es wird Zeit, sich dieser Problematik anzunehmen.“ So kam Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo auf eine Idee, die vorhandene Technologie mit vorhandenem Potenzial an den Kliniken zusammenführt. Entstanden ist eine auf medizinische Behandlungen ausgerichtete App, die ärztliche Situationen mit Sprachbarrieren deutlich verbessern kann.
„Translatly“ heißt die Applikation, die er gemeinsam mit Medizinstudierenden des Universitätsklinikums Frankfurt am Main in einem eigenen Feldversuch testet. Die App greift dabei auf einen Pool aus Studierenden des Klinikums zurück, die einen Migrationshintergrund haben oder einfach verschiedene Sprachen sprechen. Ein Arzt oder eine Ärztin kann während eines Gespräches mit einem Patienten mit Sprachbarriere in der App einfach die Sprache seines Gegenübers auswählen, und diese meldet sich parallel sofort bei all denen im Pool, die für diese Sprache registriert sind. „Und dann klingelt es aktuell vermutlich bei so 15 Studierenden“, berichtet uns Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo. „Wer als Erstes den Anruf entgegennimmt, kommt in den virtuellen Warteraum und wird dann von mir dort abgerufen.“ Nun kann das Patientengespräch entweder telefonisch oder per Video-Call stattfinden.
Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo versuchte in solchen Situationen bisher oft, Angehörige zu erreichen, die bei der Übersetzung halfen. Doch auch das lief oft nicht ganz problemfrei, denn die emotionale Bindung der Angehörigen kann das Gespräch erschweren. Häufig war auch einfach niemand zum Übersetzen anwesend und es konnte kein Gespräch stattfinden.
Die Medizinstudentin Sana ist gern beim Feldversuch von Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo dabei und weiß aus eigener Erfahrung, wo die Probleme liegen. Ihre Eltern kommen aus dem Iran und sie ergänzt:
„Gerade, wenn es um schwierige Themen geht, übersetzen Angehörige eher vorsichtiger, weil sie den Patienten irgendwie schonen wollen. Auch Scham spielt in vielen Familien eine Rolle.“
Priv. Doz. Dr. Olivier Ballo möchte die App immer weiter ausbauen und für möglichst viele Sprachen öffnen, vor allem aber wünscht er sich einen immer größer werdenden Pool an Übersetzenden: „In den kommenden Wochen werden wir mit Flyern und auch über die Krankenhauszeitschrift werben.“ Dabei sollen nicht nur die Medizinstudierenden, sondern auch die Pflegekräfte, die Ärzte und Physiotherapeuten sowie Leute aus der Verwaltung ins Boot geholt werden. Und von hier aus könnte mit entsprechender Unterstützung durch Fördergelder die App auf alle Kliniken und auch Arztpraxen erweitert werden und dort helfen, die Situation der Menschen nachhaltig zu verbessern.