Das Studienerlebnis wird so noch lebendiger und beeindruckender. Dass man nahezu geblendet ist von der Schönheit der Skulpturen, liegt sicher auch an ihrem reinen Weiß – so stellt man sich die Antike vor. Aber: „Ursprünglich waren die Figuren knallbunt!“, lacht Prof. Dr. Anja Klöckner. Die Farbe ist erst im Verlauf der Jahrhunderte verloren gegangen. Wieso stellt man dann aber immer noch Gipsabgüsse her?
Zumal heutzutage, wo man mittels moderner Technologie problemlos digitale 3-D-Modelle erstellen könnte, die die Studierenden dann auf dem Laptop immer dabeihaben? „Technisch ist das problemlos möglich“, erklärt die klassische Archäologin. „Aber physisch vor einer lebensgroßen Statue zu stehen ist ein ganz anderes Erlebnis. Der visuelle Eindruck wird von keinem technischen Substitut wirklich korrekt wiedergegeben.“ Und betritt man den Skulpturensaal, wird auch sofort klar, was sie damit meint. Echte Demut und Ehrfurcht empfindet man vor einem Bildschirm nicht – das allein ist schon Grund genug, hier zu studieren. Wieso aber greift man dann nicht wenigstens auf modernere Materialien als Gips zurück? Man könnte die Figuren ja auch einscannen und per 3-D-Drucker selbst herstellen.
Angesichts der immensen Kosten wäre das doch eine Alternative! „So ein einzelner Kopf“, weiß Dr. Matthias Recke, Kustos der Sammlung, „kostet schon mal 1000 Euro.“ Man kann sich ausrechnen, welche Werte hier stehen, zumal sich darunter auch seltene historische Abdrücke befinden, die ihrerseits schon wieder einen ganz eigenen Wert haben: „In den 1980ern hat man bei Neapel eine Bildhauerwerkstatt ausgegraben, in der man antike Fragmente von antiken Gipsabgüssen gefunden hat“, erzählt der Archäologe begeistert. „Davon haben wir hier auch ein paar Teile!“ Letztendlich führt an den Gipsabgüssen kein Weg vorbei: „3-D-Drucke können nie die Qualität von solchen Abgüssen erreichen“, erklärt der Kustos. „Man sieht immer diesen schichtweisen Aufbau.“ Und je nachdem, wie das Licht darauf fällt, stört das den Blick erheblich. „Es gibt natürlich Skulpturen, die in Marmor nachgearbeitet werden, aber auch die erreichen nicht den Grad der Genauigkeit, den wir hier wollen.“ Die Kopien in Gips kommen den ursprünglichen Kunstwerken am nächsten – teils sogar näher als die heutigen Statuen selbst, die in Athen zum Beispiel der Luftverschmutzung ausgesetzt sind und immer mehr verwittern. Hier sind historische Gipsabgüsse sogar „originalgetreuer“, als es die heutigen Skulpturen noch sind. Es gibt also viele gute Gründe dafür, weiterhin Gipsabgüsse herzustellen. Aber der beeindruckendste ist immer noch das Erlebnis, hier im Skulpturensaal an der Goethe-Uni zu stehen und diese Schönheit auf sich wirken zu lassen!