Architekten: Schwarze Rollkragenpullover, dunkle Hornbrille und den ganzen Tag unbaubare Luftschlösser malen. Wer den Raum 147, Gebäude D, der Hochschule RheinMain in Wiesbaden betritt, hat dieses Klischee binnen Sekunden ad acta gelegt. Auf dem Boden sitzen circa 100 Studierende und sind mit der Realisierung ihres ersten Entwurfs beschäftigt. “Kaltstart” nennt sich der zweitägige Workshop zum Einstieg ins Architekturstudium. Professor und Diplom-Ingenieur Joachim B. Kieferle möchte, dass die Studierenden unterschiedliche Materialien ausprobieren, deren spezifische Eigenschaften nutzen, mit Anordnungsmöglichkeiten experimentieren und mit der Wirkung in Raum und Form spielen. Keine Vorgaben? “Doch”, sagt Professor Kieferle, “size matters!”. Deshalb wachsen die Skulpturen aus Pappe immer höher, entweder gesteckt oder an Schnüren hochgezogen. Das Modul, an welchem die Studentin Mareike Schneider arbeitet, erinnert an Seifenblasen. “Eigentlich wollten wir einen Tornado bauen”, erklärt sie. “Aber die Röhre war uns zu statisch, weshalb wir Schnüre lösten. Die Spiralform, die wir ‘Schaumbad’ nennen, ist viel luftiger”. Die Spirale, die hier zur Lösung mutierte, war bei einer anderen Gruppe die Anfangsidee. Sie sollte einen Rückzugsort bilden. Bei der Realisierung machen die Studierenden dieser Gruppe eine wichtige Erfahrung des wirklichen Berufslebens, denn ihre Idee passt nicht zu dem Ort im Raum, der dafür vorgesehen ist. “Der Platz zwang uns die Spirale zu überdenken. Wir überlegten verschiedene Lösungsansätze und entschieden uns dazu, sie aufzufächern”, erläutert Leonard Lehrnickel. “Wir behalten aber eine flexible visuelle Gestaltung bei und bringen mit der Anordnung der Pappstreifen Unregelmäßigkeit in das Regelmäßige”. Die praktische Übung ist eine Vorstufe zum Einführungsprojekt in die Entwurfspraxis. Wer das Entwerfen lernen möchte, der muss zunächst sehen lernen, daß heißt die eigenen Betrachtungswinkel hinterfragen und den Blick auf das Ganze schärfen. Der Blick aufs Ganze, der hätte einer weiteren Gruppe Studierender gut getan. Sie schneiden verhältnismäßig kleine Dreiecke aus, die sie mit Schnüren aneinander knoten. “Nach einem Drittel dachten wir ‘Mist’, da muss ja auch noch ein Dach drauf”, sagt Henrik Mattes. Circa 550 Dreiecke später ist ein Dach drauf und Professor Kieferle hat eine weitere Skulptur, die nicht nur durch ihre Details, sondern auch durch ihre Größe besticht.
Hochschule RheinMain
Pappdschungel und Planungsprofis
Teil 1
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Darum studier' ich in Hessen
Als Studentin finde ich die Stadt Wiesbaden sehr ansprechend. Das Klima an der Hochschule ist super, ich fühle mich hier sehr wohl.