Und ein langes: „Älter werden diese Tiere nicht, auch nicht in freier Wildbahn“, weiß Prof. Dr. Volker Wissemann. Und er sorgt nun dafür, dass Kiburi auch nach ihrem Ableben noch die Bewunderung bekommt, die sie aus Stuttgart gewohnt war.„Ein Freund hat mich angerufen und gefragt, ob ich Kiburi haben wollte“, erzählt er vom spannenden Leben nach dem Tod der Giraffendame. „Die Idee dazu kam, weil wir zu unserem Wal noch das höchste Landsäugetier haben wollten.“
Moment – ein Wal? Ja, denn im Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie, die der Justus-Liebig-Universität in Gießen angeschlossen ist, wurde vor ein paar Jahren ein vollständiges Pottwalskelett an die Decke gehängt, als faszinierendes Anschauungsobjekt. Denn die Akademie dient vor allem dazu, Menschen aus dem nichtakademischen Bereich einen spannenden theoretischen wie auch praktischen Zugang zu naturwissenschaftlicher Bildung zu geben. Prof. Wissemann ist Leiter dieser besonderen Einrichtung, die vor allem Kindern und Jugendlichen Wissen vermitteln will. Die Akademie verfügt bereits über zahlreiche ausgestopfte Tiere, präparierte Skelette, Dinosaurier im Garten und mit 25.000 Proben die bundesweit größte Sandsammlung, teils auch mit Exponaten aus der tiefsten Tiefsee. Was fehlte, war das höchste Landsäugetier.
„Kiburi ist in mehrerlei Hinsicht ideal für uns“, erklärt uns der Wissenschaftler. Denn der Pottwal war ein Männchen, die Giraffe ist ein Weibchen. Beide sind sie mit ungefähr 15 Jahren gestorben – und während das für die Giraffe ein recht hohes Alter ist, war der Pottwal, dessen Lebenserwartung bei rund 80 Jahren liegt, noch nicht einmal geschlechtsreif. „Daran kann man sehr schön die Unterschiede in der Evolution von Tieren erklären, die wie die Giraffe einen Feind über sich haben oder eben nicht“, freut sich Prof. Wissemann. Die Giraffendame ist ein weiterer spektakulärer Blickfang in seiner an spektakulären Sammlungsstücken nicht gerade armen Akademie. Bis die Giraffe endlich im Hörsaal beim Wal steht, dauert es allerdings noch eine kleine Weile. Denn zuerst musste das Tier von Stuttgart nach Gießen transportiert werden. Dort wurden von den Veterinärmedizinern der Justus-Liebig-Universität zuerst Fleisch und Fell von den Knochen gelöst. Anschließend wurden die Knochen gekocht, damit sämtliche Fettsäuren aus ihnen entfernt werden, die den Kalk später zersetzen könnten.
Und dann kommt Stefan Balser ins Spiel, der Hausmeister der Hermann-Hoffmann-Akademie. „Ich bin Handwerker, Hausmeister, Fahrer von Giraffen“, lacht er. Und mittlerweile ist er ein echter Profi im Zusammenbauen von riesigen Skeletten. „Ja, ich habe mich damit doch ein bisschen befasst“, gibt er sich bescheiden. Denn seine Aufgabe ist keine leichte: Halten bei lebenden Tieren noch Muskeln und Sehnen die Knochen zusammen, geschieht das bei präparierten Skeletten durch Schrauben und Stangen, wie man es auch aus dem Museum kennt. Hier darf man auch am kleinsten Wirbel nicht daneben bohren, sonst steht das Tier krumm da oder der Knochen geht kaputt. Aber Balser bleibt gelassen, auch angesichts der Herausforderung, den Kopf so stabil auf dem langen Hals zu platzieren, dass die ganze Giraffe nicht nach vorne kippt: „Ach, das muss man einfach ganz vorsichtig ausprobieren.“
Was Stefan Balser hier bescheiden erklärt, ist ein großartiges Unterfangen, denn es sind solche Dinge, die bei Kindern das Interesse an der Wissenschaft und die Begeisterung fürs Forschen wecken. Damit tragen er, Volker Wissemann und das ganze Team der Hermann-Hoffmann-Akademie ein großes Stück zur Zukunft der Justus-Liebig-Universität und der Wissenschaft allgemein bei.