Lernen von Insekten: Gelbe Biotechnologie - 2

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    © Jan Michael Hosan
    Justus-Liebig-Universität Gießen Lernen von Insekten: Gelbe Biotechnologie

    Das LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie & Bioressourcen (ZIB) an der Justus-Liebig-Universität Gießen

    Durch die hervorragende Infrastruktur und die Spitzentechnologien, die hier zur Verfügung stehen, entstand eine sichtbare Sogwirkung für Talente: Insgesamt sechs Forschergruppen mit eigenen Stellen und Geldern folgten dem Ruf aus Gießen. Denn nur hier finden sie optimale Bedingungen für angewandte entomologische Forschung. Und für weiteren akademischen Nachwuchs sorgt man selbst: Im Wintersemester startet der weltweit erste Masterstudiengang „Insektenbiotechnologie und Bioressourcen“, an dem sich die JLU und die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) mit jeweils zwei neuen Professuren beteiligen. Ziel ist es, einen Bogen von der Grundlagenforschung bis hin zur angewandten Entomologie zu spannen.

    Interdisziplinäre Zusammenarbeit
    Die Bandbreite an Disziplinen, die hier gemeinsam arbeiten, ist das große Geheimnis für die Innovationskraft vom ZIB: An der JLU mit ihrem einzigartigen Fächerspektrum finden sich unter anderem Experten aus den Agrarwissenschaften, der Biologie, der Lebensmittelchemie, Medizin und Veterinärmedizin, von der THM stieß das Team um Prof. Dr. Czermak hinzu, der dort das Institut für Bioverfahrenstechnik und Pharmazeutische Technologie leitet. „Wir können letztlich nur ‚Insekten-Moleküle’ auf den Markt bringen, die wir auch in großen Mengen künstlich produzieren können“, so Vilcinskas.

    Zu den Lieblingen am ZIB gehört ausgerechnet ein Tierchen, das in der Öffentlichkeit oft als böser Eindringling bekannt ist: Der Asiatische Marienkäfer. Jahrzehntelang wurde er zur biologischen Bekämpfung von Blattläusen eingesetzt. Doch diese Basis nutzte die Spezies für einen triumphalen Siegeszug in Amerika und Europa. Der heimische Zweipunkt-Marienkäfer ist gegen den Verwandten aus Fernost offenkundig machtlos und wird immer stärker verdrängt. Für Vilcinskas und die anderen Wissenschaftler ein gefundenes Fressen. Die Theorie: Der Neuankömmling muss ein überlegenes Immunsystem haben, um mit unbekannten Krankheiten und Schädlingen fertig zu werden. In den großen Laboren des ZIB gingen sie mit Mikroskopen und Massenspektrometern der Annahme auf den Grund – mit Erfolg: Es zeigte sich, dass der Asiatische Marienkäfer voll von bestimmten Parasiten sind, den Mikrosporiden. Diese nutzen die Tiere als ‚Biowaffe’, denn Marienkäfer haben einen großen Fressfeind: Andere Marienkäfer. Doch während die Eindringlinge die Larven der Ureinwohner ungestraft vertilgen können, sterben diese beim umgedrehten Verzehr. Dem asiatischen Marienkäfer machen die Parasiten nichts aus – sie tragen nämlich ein Gegenmittel in sich, das so gennannte Harmonin.

    Neue Antibiotika braucht die Welt
    Die Erkenntnis führte zum Credo des Entomologen: „Von Insekten lernen, heißt siegen lernen“. Und genau das testeten die Wissenschaftler im Labor. Mit großem Erfolg: Harmonin zeigte nicht nur eine Wirkung gegen Tuberkulose, sondern auch gegen einen der gefährlichsten Parasiten der Erde: den Erreger der Malaria. Auch im Einsatz gegen Leishmaniose – eine Infektionskrankheit, die durch die Sandmücke übertragen wird – zeigten sich vielversprechende Ergebnisse. Und selbst gegen Bakterien, die schon Resistenzen gegenüber den üblichen Antibiotika erworben haben, könnte das Mittel helfen. Angesichts der Warnung der Weltgesundheitsbehörde vor ‚Superkeimen’ wären neue Antibiotika ein Segen für die Menschheit. Gemeinsam mit den Experten von Sanofi versuchen die Forscher nun, aus Wirkstoffen von Insekten Medikamente zu entwickeln. Doch das kann leicht zehn oder sogar 15 Jahre dauern.

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