Das Wohnexperiment ‚CUBITY‘ der Technischen Universität Darmstadt
Zwölf Bewohner, zwölf Persönlichkeiten – Probleme gibt es dabei natürlich auch: „Wir müssen uns organisieren, bei wichtigen Entscheidungen einen Konsens finden und vor allem gegenseitig Rücksicht nehmen“, sagt Klara Johanna Toews. Dafür sei für jede Stimmung immer der richtige Mitbewohner da. Für die angehende Soziologin ein spannendes Projekt: „Jeder hat seine ganz eigene Rolle in unserer Familie“, sagt sie und ihre Arme und Hände bewegen sich noch schneller als ihre Lippen. „Leonie ist zum Beispiel unsere WG-Mami“, sagt sie grinsend und zeigt hoch zum Würfel ihrer Nachbarin. Sie sitzt hinter dem Fenster ihres Kubus und lernt für ihr Medizinstudium. Den Laptop hat sie auf den Auszieh-Schreibtisch gestellt, den Lärm der anderen schirmt sie mit Kopfhörern ab. „Am Anfang waren wir vom Studierendenwerk bunt zusammengewürfelt“, erinnert sich Leonie, Mieterin der ersten Stunde. „Aber inzwischen suchen wir selbst die Nachmieter aus – und seither klappt vieles besser.“
Teil von CUBITY, Teil der Forschung
Doch nicht nur Klara Johanna interessiert sich für den sozialen Aspekt im WG-Haus. CUBITY dient gleichzeitig als Living LAB. An manchen Stellen hängen Kabel von der Decke, an ihnen sind Sonden, die Temperatur und Feuchtigkeit messen. Darüber hinaus führt ein Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin regelmäßig Interviews mit den Bewohnern durch: Wie kommt das Konzept im realen Leben an, was wird akzeptiert, wo sind die Grenzen. Alle Ergebnisse fließen auch an Benjamin Trautmann und seine Kollegen an der TU Braunschweig. „So können wir schnell Verbesserungsbedarf erkennen, wenn möglich direkt beheben und das Konzept weiter optimieren.“ Denn aktuell entwickeln die Wissenschaftler der Technischen Universität weitere Nutzungsmöglichkeiten. In Würzburg steht seit kurzem ein Nachfolger – als Innovations- und Gründerzentrum mit Büroflächen. „Alle Erkenntnisse fließen natürlich in unsere Überlegungen mit ein, CUBITY zur Marktreife zu führen“, so Benjamin.
„Wenn man so lange mit dem Fokus auf Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Suffizienz gearbeitet hat, bekommt man die Paradigmen schwer aus dem Kopf“, sagt Elisa Stamm. Sie arbeitet inzwischen in einem Architektenbüro in Paris. Das Projekt aus Darmstadt hat sie dabei immer im Hinterkopf: „Ich finde es gut, dass wir eine sehr radikale Variante ausgetestet haben – sowohl energetisch als auch sozial“, sagt sie. „Es hat sicher nicht alles perfekt funktioniert, aber so haben wir es ausprobiert und wissen wo die Limits liegen.“
Im Sommer 2021 wird das Gebäude nach aktuellem Stand abgebaut und an einem neuen Standort erneut aufgebaut. Leonie Eichelbrönner möchte bis zum Ende in CUBITY bleiben. Und danach? „Vielleicht wird es eine kleinere WG, aber alleine zu leben, kann ich mir aktuell jedenfalls nicht vorstellen.“