Mit diesem Bild hadert auch Constanze A. Petrow, Professorin für Freiraumplanung und Gesellschaft an der Hochschule Geisenheim. Denn für sie könnte die Bundesgartenschau so viel mehr sein. Als die Entscheidung fiel, die Bundesgartenschau im Jahre 2029 entlang des Oberen Mittelrheintals zu veranstalten und damit "direkt vor der Haustür", sah sie vor allem eine riesige Chance für die Region. "Wir können mit Impulsen aus den ansässigen Hochschulen des Mittelrheintals aufzeigen, wie sich die Bundesgartenschau auch konzeptionell verändern könnte und damit ihr Image und die Klientel erweitern ließe."
Damit diese Konzepte, Ideen und Forschungen der regionalen Hochschulen im Mittelrheintal gebündelt und koordiniert werden können, wurde das BUGA-Lab gegründet. Diese Institution sorgt nicht nur für die Sammlung und Sichtbarmachung der Ideen und Konzepte, sie koordiniert darüber hinaus auch den Wissenstransfer zwischen den Hochschulen, nimmt aber auch Impulse aus der Region auf - und seien sie noch so klein. Bernd Metz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Freiraumentwicklung und Koordinator der BUGA 2029-Projekte an der Hochschule Geisenheim. Auch er sieht das große Potenzial der dezentralen Bundesgartenschau im Oberen Mittelrheintal: "Das Spannende an dieser Gegend ist, wie sich die Gesellschaft, aber auch die Strukturen der Ortschaften und der freien Flächen auf den Rhein als verbindendes, aber auch trennendes Element ausrichten. All dies könnte man im Rahmen dieser Bundesgartenschau abbilden. Das Mittelrheintal ist eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft - das Potenzial ist also riesig!"
Allerdings…", so berichtet uns Frau Prof. Petrow: "finden wir hier auch jede Menge Probleme, die sich über Jahrzehnte entwickelt und miteinander verzahnt haben. Die Verkehrssituation im Mittelrheintal ist nur eines dieser Probleme. Wir müssen uns damit beschäftigen, dass unsere Gesellschaft hier wie überall vielfältiger geworden ist und immer mehr unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen. Hinzu kommt die notwendige Anpassung an den Klimawandel und die überfällige Mobilitätswende. Wir sollten die öffentlichen Räume in den Orten des Mittelrheintals so aufwerten, dass sie all diese unterschiedlichen Interessen miteinander verbinden. Und natürlich kann dies nur gemeinsam mit den Kommunen und der Bevölkerung vor Ort geschehen.
Hierbei sieht sie die Hochschule Geisenheim eher in der Rolle einer ideenstiftenden Impulsgeberin. Denn eine Hochschule kann zwar passende Fragen stellen und durch ihre Forschung Lösungsansätze liefern; strukturelle Veränderungen herbeizuführen liegt nicht in ihrem Kompetenzraum. So wurden bereits einige vielversprechende Projekte durchgeführt wie eine Klimaanpassungsstudie, die interdisziplinär im Jahre 2020 fertiggestellt wurde. Dabei zeigen Geisenheimer Forschende in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Bingen und der Hochschule in Koblenz Potentiale und Notwendigkeiten für nachhaltige Entwicklungen im oberen Mittelrheintal auf.
Die Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf Regionen wie das Mittelrheintal zukommen, sind laut dieser Studie nicht zu unterschätzen: Durch zunehmende Trockenheit, Hitze und Starkregenereignisse müssen die Ufer neugestaltet werden, sodass Überschwemmungen möglich sind, die trotzdem keine Bedrohung für die Bewohner darstellen. Über gezielte Bepflanzung können Verschattungen angelegt werden, um bei Hitzeperioden die Innenstädte zu kühlen. Hierbei sollten Pflanzenarten zum Einsatz kommen, die Dürre und Hitze schadlos überstehen können. Ansätze, die all dies berücksichtigen, sollten auch Teil des Buga-Konzeptes sein. Doch sieht Frau Prof. Petrow auch, dass das Portfolio an Problemen fast schon zu groß ist, um es von der Bundesgartenschau allein lösen zu lassen: "Man sollte das Instrument Bundesgartenschau mit dem, was sie kann, auch nicht überlasten. Gleichzeitig können wir als Hochschule mit studentischen Projekten nicht die strukturellen Probleme einer ganzen Region lösen."
Doch allzu klein muss man sich deshalb auch nicht machen, denn die Hochschulen übernehmen für die Region eine wichtige Aufgabe, erklärt sie: "Wir als Hochschule möchten den Studierenden einen kritischen Geist mit auf den Weg geben und sie für zukunftsweisende Konzepte begeistern. Viele Studierende kommen aus der Gegend und tragen all das, was sie hier gelernt haben, später in die Kommunen zurück."
Die Bundesgartenschau hat schon häufig gezeigt, dass sie ihre Austragungsorte strukturell aufwerten konnte. Für ihre Ausgestaltung mit all den vorhandenen Ideen der Hochschulen aus dem Mittelrheintal braucht es allerdings auch Mut und den Willen, neue Wege zu gehen. "Es wäre großartig, wenn die Bundesgartenschau GmbH die Chance nutzt, mit den vier Hochschulen aus der Region zusammenzuarbeiten und die Impulse, die von uns kommen, aufzunehmen", wünscht sich Frau Prof. Petrow, und BUGA-Lab-Koordinator Bernd Metz ergänzt: "Die Expertise hier im Mittelrheintal durch die ansässigen Hochschulen ist überzeugend. Die Bundesgartenschau könnte wichtige Impulse setzen, unsere Region zukunftsweisend zu entwickeln."