Archäologie an der Universität Marburg
Durch die Vorträge und Informationen des Fördervereins gibt es viele Interessierte und Zaungäste während der Grabungen am Kalsmunt. Hier war jeder Wetzlarer als Kind und als Jugendlicher, manche haben hier nachts in den Sternenhimmel geschaut, andere hatten hier ihren ersten Kuss. Diese auch regionale Bedeutung des Ortes spornt die Studierenden zusätzlich an, mit ihren Ergebnissen zur Geschichte Wetzlars etwas Neues beitragen zu können. Gleichzeitig ist die Begeisterung in der Bevölkerung eine Belastung für die Archäologie, zum Beispiel dann, wenn denn die Hobbygräber mit ihren Metallsonden Funde aufspüren und aus dem Boden ziehen. Denn damit rauben sie der Wissenschaft wichtige Erkenntnisse. “Für uns Wissenschaftler und für die Nachwelt ist der Fund für immer verloren”, erklärt Daniel Misterek, “und schlimmer: Wir kennen die Fundumstände nicht mehr, denn in erster Linie geht es ja darum, dass wir sehen, in welcher Schicht der Fund lag und in welchen Zusammenhängen er stand”.
Deshalb steht Anna-Marie Platz auch mit dem Zeichenbrett auf dem Arm im sogenannten Grabungsschnitt. Gerade hat Robin Dürr für heute den Feierabend ausgerufen, als ihre Kommilitonin Jana Bürger ein Keramikgefäß in einer Erdschicht entdeckt hat. Es juckt in den Fingern, aber entnommen wird der Gegenstand erst, wenn die Fundumstände illustriert und dokumentiert sind. Dafür gibt es an der Universität Marburg sogar spezielle Zeichenkurse. Also wird der Feierabend verschoben, während Anna-Marie Platz noch zeichnet, räumen ihre Kommilitonen die Werkzeuge beiseite und stellen die Bauzäune wieder auf. Hierbei wird noch eine wichtige Eigenart der Archäologen sichtbar: Sie sind echte Teamplayer. Der Zusammenhalt hilft bei der Arbeit, mehrere Meinungen helfen bei der richtigen Einschätzung der Funde und durch die unterschiedlichen Spezialisierungen, zum Beispiel auf Anthropologie, Schnittdokumentation, Geomagnetik, Vermessungstechnik, leistet jeder seinen besonderen Beitrag zum Erfolg einer Grabung.
Wie am Kalsmunt, wo die drei gesetzten Schnitte neben dem Skelettfund auch außerordentliche Erkenntnisse zum Alter des Burgfrieds und zu Ansiedlungen am Fuß des Turmes geben konnten. Wenn die Grabung beendet ist, werden die Schnitte wieder zugeschüttet. “Wir haben dem Boden etwas entnommen, was man so nicht mehr vorfinden kann”, so Daniel Misterek. “Insofern ist Archäologie auch immer Zerstörung”. Dass der Filmheld Indiana Jones und echte Fachwissenschaftler in diesem Punkt übereinkommen, ist aber ein Trugschluss. Denn was der eine actionreich zerschlägt, versuchen echte Archäologen zu erhalten. Sie sind eben weniger Jäger verlorener, als vielmehr Hüter verborgener Schätze.