Der Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität Frankfurt ist der dritte Garten der Universität in ihrer 100-jährigen Geschichte und geht auf den 1763 von Johann Christian Senckenberg mit seiner Stiftung begründeten Botanischen Garten zurück. Mit den städtischen Einrichtungen Palmengarten und Botanischer Garten bestehen enge Kooperationen, die Anlagen ergänzen sich. Eine Parallele besteht auch darin, dass alle drei Gärten neben der Forschung auch der breiten Öffentlichkeit als Orte zu Information und Erbauung zur Verfügung stehen. Viele Frankfurter suchen hier Erholung. Hermine Lotz-Winter sucht etwas anderes. “Hier, Septoria Erigarentis auf Feinstrahl. Haben wir aber schon”, sagt sie und bückt sich wieder ins Gedachs. Das von der Kärntnerin sogenannte Gedachs, zu deutsch Gestrüpp, ist eine von mehreren Freiflächen auf denen Gräser, Büsche, Bäumchen, Brombeer, Goldrute und Beifuß wild durcheinander wachsen dürfen. Und auf denen die Lehrenden und Studierenden des Instituts für Ökologie, Evolution und Diversität, Abteilung Mykologie, Pilze suchen.
In Deutschland kennt man circa 6.000 Pilzarten, weltweit sind 130.000 bestimmt. Das ist nur ein Bruchteil der Vielfalt, denn selbst konservative Schätzungen gehen von 1,5 Millionen verschiedener Pilzarten aus. “Die Mykologie bietet Möglichkeiten für so viele Arbeiten”, erklärt Hermine Lotz-Winter. “Die Studenten sollen lernen wie man sammelt, wie man erkennt und was man damit macht. Dann können sie der Schlüsselfrage auf den Grund gehen, wann und wieso ein Pilz eine Pflanze befällt, zum Beispiel ein Getreide. Wir betreiben Grundlagenforschung, die aber beispielsweise der Agrarforschung zugute kommen kann”. Die 61-jährige Doktorandin hat in der Pilzforschung eine leidenschaftliche Berufung gefunden. Nach der Schule hat sie zunächst Pharmazie studiert, später als Apothekerin gearbeitet. Aber Pilze haben sie schon immer fasziniert, bis heute ist sie als Pilzsachverständige für die Deutsche Gesellschaft für Mykologie und den Giftnotruf in Mainz tätig. “Alle acht Wochen gehen wir für 45 Minuten pro Fläche raus zum Sammeln, dann analysieren wir unsere Funde im Labor. Hier haben wir bereits 140 Pflanzenarten und 350 Pilzarten gefunden”. Aber was macht ihre Begeisterung für diese akribische Arbeit und die Faszination für diese winzigen Lebewesen aus? “Naja, wie sagte Goethe schon: Die Flöhe und die Wanzen sind auch ein Teil des Ganzen”, sagt Hermine Lotz-Winter, lacht herzlich und verschwindet direkt wieder im Gedachs.