Als Dr. Richard Kuba diese Sammlung vor über einem Jahrzehnt wiederentdeckte, war sie bereits 50 Jahre lang in Vergessenheit geraten. “Als ich damals das Archiv öffnete, konnte ich gar nicht glauben, was ich hier sah: Tausende, wundervoll von Hand abgemalte Felsbilder. Eines schöner als das andere. Und dann fing die Recherche an: Was ist das eigentlich alles genau? Wo sind diese Felsbilder entstanden? In welchem Kontext stehen Sie?” Doch nicht nur das: hunderte Expeditionstagebücher aus dem letzten Jahrhundert, in denen detailliert beschrieben wurde, in welchem Kontext diese Felsmalereien stehen, lagen ebenfalls im Archiv.
“Ursprünglich hatte ich eigentlich wenig Lust, mein Leben in Archiven herumzuwühlen, doch das hier stellte alles auf den Kopf.” erzählt er uns lachend. Was Dr. Kuba da gefunden hatte, stellte sich schnell als einer der größten kulturhistorischen Schätze aller Zeiten heraus.
Leo Frobenius machte sich nämlich Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Weg um die ganze Welt, um historische Felsmalereien aufzuspüren und sie von professionellen Malerinnen auf riesige Leinwände kopieren zu lassen. Denn die Strichzeichnungen, die Forscher vor ihm mit nach Europa brachten, genügten ihm nicht. Auf den von ihm initiierten Bildern finden sich auch die Strukturen des Untergrunds, die Risse in den Felsen – weitgehend naturgetreue 2-D-Nachbildungen der dreidimensionalen Felsmalereien. „Frobenius war 1904 einer der Ersten, der die traditionelle afrikanische Kultur dokumentieren und verstehen wollte.“ Auf seinen 12 Afrikaexpeditionen begleiteten ihn stets auch Künstler. Das Ergebnis dieser Reisen sind zahlreiche Feldtagebüchern, Wachswalzen mit Tonaufnahmen, Fotografien, Zeichnungen. „Die Materialien, die wir hier vorgefunden haben, sind wie eine Zeitkapsel aus einer sehr bilderarmen Zeit“, schwärmt Dr. Kuba.
Später schickte Frobenius seine Mitarbeiter in die ganze Welt: „Sie haben Felsbilder in Skandinavien dokumentiert, in Italien, natürlich in den spanischen und französischen Gebieten, und dann ging es weiter nach Australien und nach Westpapua …“, zählt Kuba auf. Dabei hatte der Ethnologe vor allem ein Ziel: „Er wollte diese Bilder festhalten und dokumentieren. Er wollte wissen: Wie hat sich die Menschheit entwickelt? Was waren die ersten frühesten Bilder?“ Richard Kuba denkt nach: „Diese Bilder sind die früheste Form visueller Kommunikation.“ Dabei erlebt Dr. Kuba sein ganz eigenes Abenteuer. Der Fund, der Jahrzehnte lang verborgen war, wird nun von ihm und seinem Team am Frobenius-Institut, das der Goethe-Uni angegliedert ist, geordnet, digitalisiert und in eine riesige Datenbank überführt. Dabei gab es noch einmal Neues zu entdecken: „Wir haben diese ganzen Expeditionstagebücher und andere Unterlagen gewälzt und dabei festgestellt, dass diese Felsbildkopien unter anderem 1937 im Museum of Modern Art in New York ausgestellt worden waren!“ Und nicht nur dort: „Es gab in den 1930er-Jahren einen riesigen Ausstellungsboom. Die Bilder wurden weltweit ausgestellt - in Paris, in Rom, in Oslo, in Wien, in Zürich, also ganz in Europa, in den USA und sogar in Honolulu.“
Dabei machte Dr. Kuba noch eine weitere Entdeckung: Er fand in den Ausstellungsunterlagen Hinweise und Fotos, aus denen hervorgeht, dass wichtige Künstler wie Picasso, Giacometti oder auch Jackson Pollock in diesen Felsbild-Ausstellungen waren. “Und schon der Gründungsdirektor des MoMA, Alfred Barr, stellte 1937 fest, dass die moderne Malerei unter dem Einfluss der prähistorischen Felsbildtradition stand.” führt Dr. Kuba fort. Die Vermutung liegt nahe, das diese Felsmalereien möglicherweise sogar eine Inspiration und der Startschuss für zahlreiche Kunstwerke gewesen sein könnten. “Damit beschäftigen sich bereits die Kunsthistoriker…” führt Kuba fort. Und das ist wiederum eine ganz andere, neue und spannende Geschichte.