Die AG Schistosomen an der Justus-Liebig-Universität in Gießen
Zerkarien sind unsympathische Zeitgenossen. Die kleinen Larven bestimmter Saugwürmer (Trematoden) kommen vor allem in Seen und langsam fließenden Flüssen in Afrika, Asien und Südamerika vor. Das Tückische: Treffen sie auf einen Menschen – zum Beispiel beim Baden oder Waschen – werfen sie ihren Schwanz ab und bohren sich durch die Haut ihrer Opfer. Oft merken diese davon nichts, abgesehen von kleineren Hautirritationen. „In nur 20 Minuten gelangen die Parasiten aber ins Blutsystem und von dort über Herz, Lunge und Leber in kleine Gefäßgeflechte im Darm“, erklärt Prof. Dr. Christoph Grevelding vom Institut für Parasitologie an der Universität Gießen. Schon während ihrer Reise durch den Menschen wachsen sie zu sogenannten Schistosomen heran und leben später Jahre oder Jahrzehnte im dauerhaften Paarungskontakt zusammen. Allein, dass sie überhaupt getrenntgeschlechtlich vorkommen, ist in der ansonsten überwiegend zwittrigen Gattung der Trematoden ungewöhnlich. „Die schmaleren Weibchen verweilen in der Bauchfalte des Männchens“, sagt Grevelding und demonstriert das mit einem gerollten Blatt Papier.
Je nach Art können Schistosomen zwischen 300 und 3000 Eier legen – pro Tag. Und ein großer Teil der Eier verbleibt im menschlichen Körper, vor allem in Leber und Milz. Die Abwehrzellen versuchen sie zu isolieren und bilden Granulome um diese Fremdkörper. „Auf Dauer zeigen sich dann viele dieser weißen Flecken auf den befallenen Organen“, sagt Grevelding und deutet auf eine Abbildung auf seinem Rechner. Und das ist lebensgefährlich. Leber und Milz vergrößern sich und arbeiten nicht mehr richtig, es kommt zu fibrotischen Veränderungen. Laut WHO sterben jährlich bis zu 200.000 Menschen, in erster Linie Kinder, an der Schistosomiasis (oder Bilharziose, und das allein in den Ländern Afrikas südlich der Sahara. Damit ist sie eine der gefährlichsten tropischen Erkrankung weltweit nach der Malaria. Und die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Nach Angaben der WHO sind über 240 Millionen Menschen infiziert und benötigen medizinische Behandlung.
Kooperation zum Wohle von Millionen Menschen
Schistosomiasis gehört wie Malaria oder das Dengue-Fieber zu den ‚vernachlässigten Tropenkrankheiten’ (NTDs), die nicht im Fokus der Pharmaunternehmen stehen. Zwar hat die Firma Merck aus Darmstadt bereits in den 70er-Jahren ein Medikament (Praziquantel) auf den Markt gebracht, jedoch mehren sich in jüngster Vergangenheit Hinweise auf eine mögliche Resistenzbildung. Da Praziquantel jedoch das einzige, gegen alle Schistosomenarten wirksame Medikament ist und keine Impfstoffe vorhanden sind, besteht dringender Bedarf an neuen Behandlungsmethoden. Das haben auch die Wissenschaftsakademien der G7-Länder erkannt und eine Verstärkung der NTD-Forschung gefordert. Das hessische LOEWE-Zentrum DRUID geht in seiner Struktur genau auf diese Forderung ein. Neben der JLU beteiligen sich Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg, der Goethe-Universität Frankfurt, der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und des Paul Ehrlich-Instituts Langen an DRUID. In mehr als 25 interdisziplinären Gruppen arbeiten viele Forscher eng zusammen, um dringende Fragen zu klären. Zum Beispiel zur Identifikation und Charakterisierung potenzieller Zielmoleküle, um so letztlich Diagnostika sowie Wirk- oder Impfstoffe gegen die unterschiedlichen Erkrankungen zu entwickeln.