Protestantische Theologie hat auch immer mit dem Glauben zu tun. Doch sie darauf zu beschränken, würde ihr eben nicht gerecht werden. Marcell Saß, der eine Professur für Praktische Theologie mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik innehat und Direktor im Zentrum für Lehrkräftebildung ist, formuliert es so: „Die moderne Theologie folgt der Frage, wie man sich selbst in ein Verhältnis zu dieser Welt setzt, mit dem Wissen, dass es mehr in diesem Verhältnis gibt als das, was ich anschaulich unmittelbar vor mir habe.“ Und sein Kollege Prof. Malte Krüger ergänzt: „Wir möchten hier den Geist der Studierenden öffnen, und zwar anders als es vielleicht in den anderen Wissenschaften verstanden wird. In der Wissenschaft geht es darum, die Welt zu erklären, vielleicht auch manchmal zu entzaubern. Und doch erleben Menschen auch immer wieder ein kindlich-naives Staunen über die Welt. Wir möchten dieses Staunen thematisieren und nicht einfach wegerklären.“
Dieses Staunen fordert allerdings von den Studierenden eine gehörige Portion Offenheit und Neugier. Erste Irritationen und die anschließenden Transformationen von persönlichen Überzeugungen sind die Folge, oft auch erst nach dem Studium, wie uns Prof. Malte Krüger erklärt. „Überzeugungen und Transformationen enden ja nicht mit dem Examen, sondern entwickeln sich weiter. Es ist ein Prozess, der hoffentlich nie enden wird. Wer bei uns einfach nur eine einfache Bestätigung für seinen Glauben sucht, wird wahrscheinlich hochgradig irritiert sein.“
Theologie ist also mehr als Glaube, Singen und Beten, auch wenn das „übliche Ziel“ des Theologiestudiums, so Friedemann Voigt, Professor für Sozialethik an der Philipps-Universität Marburg, das Pfarramt oder Religionslehramt sei. Mittlerweile finden aber auch immer öfter konfessionslose Menschen den Studiengang, sei es beispielsweise in Kombination mit Kunstgeschichte oder Philosophie. Übrigens könnte die mittelalterliche Kunst beispielsweise gar nicht ohne Theologie verstanden werden, waren es doch vor allem Auftraggeber aus dem kirchlichen Umfeld, die die Künstler im Mittelalter in Lohn und Brot hielten.
Doch ohne eine gehörige Portion Aufgeschlossenheit und Angesprochen sein durch Religion wird es auch nicht gehen, wie uns Prof. Marcell Saß erklärt. Theologie kommt nicht ohne Voraussetzungen. „Sie kommt aus der persönlichen Beziehung zum Glauben und wirkt auf diesen kritisch zurück.“ Sein Kollege Prof. Friedemann Voigt sieht dabei noch weitere Aspekte: „Die Theologie ist auch die Repräsentanz der Religion in der Wissenschaftswelt, und eine wichtige Funktion des Studiums der Theologie ist die Vermittlung von Sinn und Wert der Religion. Wir möchten den Studierenden die Möglichkeit geben, dies auch in gegenwärtig relevante Diskussionen einzuspeisen.“
Dabei finden nicht nur junge Menschen den Weg in die theologische Fakultät. In einem seit vielen Jahren erfolgreichen berufsbegleitenden Masterstudiengang in Theologie freut man sich über Absolventen, die schon älteren Jahrgangs sind. Diese, so Prof. Malte Krüger, bringen Lebenserfahrung und eine ganz andere Reife mit. „Manche möchten in den späteren Jahren oft auch ihr verlerntes Staunen wiederfinden und suchen nach etwas Sinnstiftendem.“