Für ein Studium der Theologie gibt es in Hessen einen ganz besonderen Ort: Die Philipps-Universität Marburg. Denn hier befindet sich eine der ältesten und renommiertesten theologischen Einrichtungen in Deutschland. Die theologische Fakultät der Philipps-Universität Marburg hat eine lange Geschichte, die einige Jahrhunderte bis zur Gründung der Universität im Jahre 1527 zurückreicht. Die Philipps-Universität war die erste protestantische Universität der Welt und spielt deshalb eine wichtige Rolle seit der Reformation. Sogar Martin Luther weilte im Jahre 1529 zum geschichtsträchtigen Marburger Religionsgespräch hier, das die Spaltung der verschiedenen reformatorischen Strömungen verhindern sollte und am Ende doch nicht zum gewünschten Erfolg führte.
Heute, trotz ihrer protestantischen Geschichte, ist die Philipps-Universität eine staatliche Hochschule mit 16 Fachbereichen, 12 übergreifenden Forschungszentren und einem Universitätsklinikum. Der Fachbereich Theologie ist einer dieser Fachbereiche und folgt einer Konzeption, die sich den Berufsanforderungen in Kirche und Diakonie, Schule und Universität, Wirtschaft und Kultur stellt.
Wir wollten wissen, wie die Theologie als eine über Jahrhunderte gewachsene Geisteswissenschaft in unsere moderne und schnelllebige Zeit findet und trafen uns deshalb in den ehrwürdigen Mauern der Alten Universität Marburg mit drei Wissenschaftlern, die hier an der Philipps-Universität forschen und lehren.
Einer von ihnen ist Malte Krüger. Er ist Professor für systematische Theologie und Religionsphilosophie und räumt gleich zu Beginn mit unserem Bild des Theologiestudiums auf:
Das Theologiestudium ist heute ein Bildungsabenteuer und eine große Ansammlung von unterschiedlichsten Disziplinen. Das macht es zu etwas ganz Besonderem. Es bietet die Möglichkeit, ganz verschiedene wissenschaftliche Perspektiven zusammenzudenken, sei es Geschichte, Kunst, Philosophie, Pädagogik oder sogar Psychologie. All dies spielt im Studium eine Rolle. Theologie kann als Wissenschaft gar nicht für sich allein stehen, und deshalb setzen wir sie immer auch in Beziehung zu anderen Wissenschaften. Wir wollen den Studierenden hier vor allem deutlich machen, dass es ganz unterschiedliche Weisen gibt, die Welt zu lesen und zu verstehen.
Dieses moderne und zugleich liberale Konzept von Wissenschaft entstand allerdings nicht erst heute, sondern folgt bereits einer längeren Tradition, die bis an die Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert zurückreicht. Nach den Anfängen in der Reformationszeit und den Anfragen der Aufklärung konnte sich die Theologie hier in Marburg im 19. Jahrhundert modernisieren und ihre wissenschaftliche Ausrichtung an moderne Erkenntnisse anpassen. Die Marburger Theologie ist also eigentlich eine Erfindung der Moderne. Mittlerweile folgt sie selbstverständlich den Grundsätzen des Pluralismus und der Interdisziplinarität. Eine moderne und liberale Wissenschaft also, die weit weg ist von statischem Glauben und starrer Frömmigkeit.