Viele Hochschulen beschäftigen sich deshalb aktuell mit dem Thema Bauen im Bestand. Der Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen der Hochschule RheinMain (HSRM) in Wiesbaden tut dies mit seinem spezialisierten Masterstudiengang schon seit ca. 15 Jahren. Hier werden die Studierenden zu kreativen, fachkritischen Persönlichkeiten mit hoher Fachkompetenz ausgebildet, die fähig sind, ökologisch, ökonomisch und sozial verantwortliche Lösungen zu erarbeiten für komplexe Aufgaben des Bauens im Kontext der nachhaltigen Bestandsentwicklung. Konkret bedeutet dies: Die angehenden Architekten und Architektinnen lernen hier mit Umsicht und Verstand die Architektur der Zukunft zu denken und dabei den Bestand zu nutzen – in der Theorie wie auch in der Praxis.
Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf die beiden großen grundständischen Studiengänge Architektur und Bauingenieurwesen. Deren Studierende kommen während ihres Studiums auch immer wieder in Kontakt mit spezialisierteren Studiengängen wie Baukulturerbe, Mobilitätsmanagement, Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen oder Immobilienmanagement. Prof. Sascha Luippold, Studiengangsleiter Architektur im Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen, ist es wichtig, all diese Perspektiven, die sich aus den unterschiedlichen Fachgebieten ergeben, in der Architektur mitzudenken. “Der interdisziplinäre Austausch innerhalb des Fachbereiches bereichert unsere generalistische Sicht auf die Architektur.” Und so arbeiten Studierende aus all diesen unterschiedlichen Studiengängen im Wahlfachbereich auch immer wieder interdisziplinär an gemeinsamen Projekten.
Jane, Annika (die vor kurzem absolvierte) und Nikolai studieren den Masterstudiengang Architektur | Bauen mit Bestand beziehungsweise Baukulturerbe | Bauen mit Bestand an der HSRM. Was die drei verbindet, ist die Leidenschaft sowohl für die Theorie des Bauens als auch für die Praxis. Sie alle sehen die Studiengänge auch als ihren Beitrag für eine klimagerechte Zukunft. Gut ausgebildete Fachkräfte auf diesem Gebiet werden nicht nur von den Architekturbüros mit Kusshand genommen und so ist es kein Wunder, dass sie sich über ihre berufliche Zukunft keinerlei Sorgen machen. Annika reizen bei der Bestandsentwicklung vor allem die individuellen Entwurfs- und Umnutzungsstrategien. Jane hat bereits ein Innenarchitekturstudium absolviert und interessierte sich hier an der Hochschule RheinMain vor allem für den strategischen Umgang mit Baukulturerbe. Dieser, in Deutschland einzigartige Studiengang kombiniert Inhalte aus ganz unterschiedlichen Bereichen des praktischen Substanzerhalts und der strategischen Nutzungsentwicklung von denkmalgeschützten bzw. baukulturrelevanten Bestandsgebäuden. Damit ergänzt er perfekt den Architekturstudiengang, der sich im Master vornehmlich dem Bestand als Ressource widmet und dabei neben Sanierung und Revitalisierung den Fokus auf architektonische Strategien wie Weiterbauen und Transformieren legt.
„Neben der interdisziplinären Perspektive auf Architektur ist uns vor allem der Praxisbezug im Studium besonders wichtig“, betont Prof. Sascha Luippold, der im Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen für das Fachgebiet Entwerfen und klimagerechtes Bauen zuständig ist. Unter anderem gibt es dafür regelmäßig sogenannte Design Build Projekte in denen Architektur nicht nur entworfen und geplant sondern auch gebaut wird. So fand z.B. im Sommer 2022 hier auf dem Campus der HSRM eine Summer School zum Thema „Klimagerechtes Bauen mit Lehm und Bambus“ statt – eine Gelegenheit für die Studierenden, ihre theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Denn es galt, einen zehn Quadratmeter großen Pavillon zu planen und mit verschiedenen Techniken auch zu bauen. Wände aus Lehmziegeln und Stampflehm, eine Dachkonstruktion aus Bambus – alles wurde von Hand hergestellt und zusammengefügt. Das kleine Bauwerk war aber keine Spielerei. Denn die Summer School sollte die Studierenden aus Wiesbaden auf einen zweiwöchigen Workshop in Ghana vorbereiten, im Rahmen dessen sie vor Ort unter der Leitung von Prof. Luippold dabei helfen sollten, ein sozial- und ökologisch nachhaltiges Bambusschulungszentrum zu bauen.
Ob es ihnen gelang? Das erfahren wir im dritten Teil dieses Artikels…